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Eine alte Geschichte...

.......................................................................................................für Declan Kennedy

 

Helga Fassbinder

Wann und unter welchen Umständen ich Declan Kennedy das erste Mal begegnet bin?

Oh, das ist sehr lange her. Ich glaube, es war vor 36 oder 37 Jahren. Ich war Assistentin an der Architekturabteilung der TU Berlin, eine Rebellin, die Dinge propagierte, die damals als unerhört und revolutionär verschrien waren: Kampf gegen Kahlschlag, statt dessen erhaltende Modernisierung und Bürgerbeteiligung bei der Stadterneuerung in Kreuzberg. Ich stand im Geruch, die Studenten damit zu verderben, und die Professoren machten einen Bogen um mich, ich habe so gut wie nie einen gesehen in meiner damaligen Zeit...

Dann aber war ein vakant gewordener Lehrstuhl zu besetzen. Und dafür hatte sich ein charmanter und offensichtlich ganz ordentlicher Mensch aus den USA beworben, ein gewisser Declan Kennedy. Der hatte es auch mit der citizen participation. Hah, dachte die Professorenschaft, dasselbe Thema, aber in zahmer Version – das ist das Gegenwicht gegen diese schreckliche Fassbinder. Her mit dem, der wird die Studenten auf den rechten Pfad bringen.... Und so wurde er berufen. Ein Amerikaner, hmm. Aber kaum war er da, entdeckten er und ich, wie parallel unsere Auffassungen über Partizipation liefen. Nix Konfrontation. Nix Rückführung von Studenten ins Professorenlager. Obwohl er so charmant im Umgang mit allen, auch seinen Professorenkollegen war, kristallisierte sich immer deutlicher eine neue Grenzlinie heraus, und die lief nun auch durch die Professorenschaft...

Gegen Ende meiner Assistentenzeit erhielt ich von verschiedenen Universitäten Angebote, einen Lehrstuhl zu übernehmen. Darunter auch aus den Niederlanden, Technische Universität Eindhoven. Das reizte mich – nicht eine Modifikation deutscher linker Hochschulszenen wie an der HfBK, in Bremen oder Oldenburg, nein, eine andere, neue Welt. „Was, ins Ausland? Nie würde ich das tun!“ sagten durchweg alle meine Freunde und Bekannten. Mit einer Ausnahmen: Declan Kennedy. Declan war der einzige, der mich in meinem Beschluss bestärkte, die Professur an der TU Eindhoven anzunehmen. Ich rechne ihm das hoch an, und ich habe diese Schritt nie bereut.

Unsere Zusammenarbeit setzte sich dann über die Landesgrenzen hinweg fort: Ich entwickelte ein Forschungsprojekt zum internationalen Vergleich von Stadterneuerungsstrategien, und Declan mit seinen MitarbeiterInnen spielte darin den Berliner Part. Es gab interessante Treffen, eines an der TUE hat der dortige offizielle Hoffotograf festgehalten – leider sind die Aufnahmen, die uns alle jugendlich frisch und mit üppig langem Haar zeigten, nirgends mehr zu finden.

Und wie ging es dann weiter?

Declan war mir eine Nasenlänge voraus: citizen participation bei urban renewal war in den USA weit früher ein Thema gewesen als in der Bundesrepublik Deutschland; begierig hatte ich damals die Texte der amerikanischen Pioniere auf diesem Gebiet studiert, ins Deutsche übersetzt und mit einer Buchpublikation zugänglich gemacht. Die Sache wurde im ganzen deutschsprachigen Raum aufgegriffen und in langsamen, mühsamen Schritten ins reale Geschehen eingebaut. Irgendwann aber gegen Ende der 80er Jahre war die partizipative, behutsame Stadterneuerung auch in Europa durchgesetzt, sie wurde zu einer staatlich geförderten Strategie und verlor ihren aufmüpfigen Nimbus... Es was Zeit, sich nach einem neuen Gebiet im Gefecht für eine humanere Welt umzusehen. Declan hatte bereits die Ökologie und die Permakultur entdeckt, als ich noch an den Feinheiten von Förderungssystemen für minderbemittelte Bewohner herumbastelte. Aber dann gab es bei mir infolge eines Autounfalls eine Zwangspause und ich hatte Zeit zum Nachdenken über mein Fach. Mit dem Blick aus meinem Fenster auf einen Innenhof voller Bäume, Sträucher, Vögel und Frösche mitten im dicht bebauten Amsterdam entdeckte ich die Stadtökologie. Ich entwickelte das Konzept BIOTOPE CITY- die Stadt als Natur, organisierte einen internationalen Kongress dazu, und selbstverständlich musste Declan diesen Kongress mit seinem Beitrag bereichern. Ich errichtete die Stiftung Biotope City und gründete die viersprachige online-zeitschrift BIOTOPE CITY JOURNAL – Declan war sofort bereit, Mitglied des scientific advisory boards des Journals zu werden.... Freilich war Declan inzwischen bereits einen Schritt weiter gegangen: Er hatte die deutsche Niederlassung der GAIA Universität auf sich genommen und den ökologischen Ansatz von der Stadt auf den Umgang mit Gaia, Mutter Erde, erweitert. Dass auch ich dann meinerseits diese Aktivität als Mitglied des advisory boards unterstützte, war eine logische Fortsetzung unserer Zusammenarbeit....

Ja, was schätze ich so sehr an Declan... es sind seine Freundlichkeit, sein Optimismus, sein Mut, neue Pfade zu gehen und seine Courage im Umgang mit dem establishment, seine Sensibilität und Empfänglichkeit für die Unterströme, und dass er mit Kopf+Leib auf dieser Erde herumspaziert...

Und was ich ihm wünsche? Dass er gerade so weitergeht wie bisher.... sich immer wieder neuen Einsichten stellend, die Grenzen erweiternd.... und wünsche ihm dazu mit den Worten von Roland Barthes : un peu de savoir, rien de pouvoir et beaucoup de saveur...und natürlich die gute Gesundheit.

 

 

 

 

Foto: iris-a-maz