literair writings — helga fassbinder |
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Es ist vielleicht der weltweit bekannteste Baum: die Kastanie an der Prinsengracht, die Anne Frank, eingeschlossen im Hinterhaus, von ihrem Dachfenster aus sehen konnte. Ihr einziger Ausblick in die Aussenwelt. In seinen Zweigen, Blättern, Blüten und Früchten sah sie die Veränderung der Jahreszeiten, sah sie die Vögel, sah sie eine Welt in Freiheit. In ihrem Tagebuch beschreibt sie in berührender Weise von der Hoffnung, die ihr dieser Baum gab... Den Baum gibt es nicht mehr, in einem Sturm stürzte er nieder. Nur noch Fotos, Zeichnungen und Texte können die Erinnerung wach halten. Das Buch 'Annes Baum' bringt dieses grosse und besondere Symbol für Hoffnung und Toleranz mit Wort und Bild noch einmal zum Leben. |
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...wie das ist, ein Baum zu sein? Du kannst nicht weglaufen. Du stehst an einer Stelle; du kannst keinen Schritt machen, nicht den kleinsten. Deine einzige Richtung ist die in die Höhe und die Breite. Grösser werden. Dich ausbreiten, die Blätter der Sonne und dem Regen entgegenstrecken, wie Hände, die etwas auffangen. Und etwas abgeben. Ein ständiges Atmen. Vielleicht wie wir mit unserer Haut atmen? Ohne uns dessen bewusst zu sein. Aber das eigentlich schwer vorstellbare ist, dass sie nicht weglaufen können, die Bäume. Ich stelle mir vor, ich höre jemanden ankommen, ich höre, wie er eine Säge anstellt. Ich stehe wie angewurzelt. Ich bin angewurzelt. Ich kann nicht wegrennen. Immer die Angst, dass einer mit einer Säge kommt. Und dass das dann das Ende ist. Wie damals Anne und ihre Leute. Angewurzelt in diesem Hinterhaus. Immer in Angst, dass sie kommen. Und man dann nicht wegrennen kann. Und dass das das Ende bedeutet. | ||||||
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